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Berlin verzeichnet im bundesweiten Vergleich den stärksten Rückgang an Sozialwohnungen. Von 2007 bis 2019 wurden gerade einmal 13.000 neue Wohnflächen dieser Kategorie geschaffen. Um der prekären Lage auf dem Markt für bezahlbare Sozialwohnungen Herr zu werden, ist die Politik gefragt, Förderungen zu erhöhen, gegen Hemmnisse der Neubautätigkeit vorzugehen und die Erschließung neuer Flächen voranzutreiben.

 

Markt für Sozialwohnungen deutschlandweit angespannt

Die stagnierende bis rückläufige Neubautätigkeit hat in ganz Deutschland zu Problemen auf den Wohnungsmärkten geführt. Das gilt vor allem für den staatlich regulierten Bereich der Sozialwohnungen. Ein wesentlicher Grund dafür besteht darin, dass ihre Preisbindung nach einer bestimmten Zeit erlischt, sodass sie zu höheren Preisen vermietet werden können. Da nicht im gleichen Maß neu gebaut wird, wie Sozialwohnungen aus dem Markt verschwinden, nimmt ihre Zahl rapide ab.

So waren etwa Ende 2017 rund 49.000 Sozialwohnungen weniger verfügbar als noch ein Jahr zuvor. Dies geht aus Zahlen hervor, die das Bundesinnenministerium 2019 an den Bundestag meldete. Für eine Deckung des Bedarfs müssten pro Jahr 80.000 zusätzliche Einheiten auf den Markt kommen. Die Länder, in deren Zuständigkeit diese Aufgabe liegt, tun sich aber weiter schwer damit.

 

Lage in Berlin besonders prekär

Wie GdW-Präsident Axel Gedaschko bei der Jahrespressekonferenz des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen 2019 erklärte, habe Berlin in den vorangegangenen zwölf Jahren gerade einmal 12.880 Sozialwohnungen gebaut. Zum Vergleich: Das halb so große Hamburg kam in derselben Zeit auf 28.500 Wohnungen.

Auch im bundesweiten Vergleich verzeichnete Berlin 2017 den stärksten Rückgang im Bereich Sozialbau. Die Zahl der Sozialwohnungen reduzierte sich von 137.000 auf 116.000. Zum Vergleich. Ende 2017 gab es in Deutschland rund 1,22 Millionen Sozialwohnungen. Ein Jahr zuvor waren es noch 1,27 Millionen mit Miet- und Belegungsbindung gewesen. Demnach sind mehr Sozialwohnungen aus der Mietbindung gefallen, als neue gebaut wurden.

2019 verschärfte sich die Situation noch einmal. Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung IBB zufolge belief sich der Bestand 2019 auf 102.817 Sozialwohnungen – bei einem Neubau von gerade einmal 2.600. Auch die Zwischenbilanz des IBB-Neubaufonds zeichnet kein positives Bild. Statt der angezielten 8.500 Wohnungen für 2019/2020 wurden bis Juli 2020 gerade einmal 1814 bewilligt.

 

Die Länder in der Pflicht

Bereits 2019 wies der wohnungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Chris Kühn, darauf hin, dass die Lage beim sozialen Wohnungsbau dramatisch sei: „Ich kann nicht verstehen, dass die Bundesregierung angesichts des immer stärkeren Rückgangs an Sozialwohnungen die Mittel im nächsten Jahr um ein Drittel kürzen will.“ In diesem Zusammenhang forderte Kühn einen grundsätzlichen Kurswechsel hin zu einer dauerhaften Bindung.

Nach Angaben von Gedaschko liegt die Bedarfsdeckung bei Sozialwohnungen aktuell bei 34 Prozent: „Wir ersetzen nicht einmal das, was aus der Sozialbindung fällt“, so der GdW-Präsident im Gespräch mit dem Tagesspiegel 2019. Bei den Sozialwohnungsbauprogrammen liege die Hauptverantwortung bei den Ländern. „Wenn die Länder versagen, versagt der soziale Wohnungsbau.“

 

Änderungen bei der Baupolitik gefordert

Der GdW hat ein Maßnahmenpaket für bezahlbares Wohnen vorgelegt. Neben Lockerungen im Baurecht sieht es eine Erhöhung staatlicher Ausgaben und eine Senkung von Steuern vor. Weitere Maßnahmen umfassen eine Genehmigungspflicht für Zweitwohnungen, zusätzliche Milliarden für Sozialwohnungen und verbilligte Grundstücke aus der öffentlichen Hand.

Der Präsident des Spitzenverbandes der Immobilienwirtschaft ZIA, Andreas Mattner, fordert höhere steuerliche Abschreibungen von Bauprojekten, einen höheren Digitalisierungsgrad in den Bauämtern und niedrigere Steuern auf den Grunderwerb. „Die Baupolitik in Deutschland ist größtenteils eingeschlafen“, so Mattner. „Offenbar schreckt Regulierung ab.“

Wie berechtigt diese Einschätzung ist, wird bei einem Blick auf die Neubautätigkeit in den ersten vier Monaten des Jahres 2019 deutlich. In dieser Zeit wurde eine Genehmigung für 105.800 Wohnungen erteilt. Angaben des Statistischen Bundesamtes zufolge sind das 1,3 Prozent weniger als im Vorjahr.

 

Deutlich umfangreichere Neubautätigkeit erforderlich

Um die immense Immobiliennachfrage zu decken, ist Einschätzungen der Politik und der Bauwirtschaft zufolge jährlich ein Neubau von 350.000 – 400.000 Wohnungen erforderlich. Dem steht aber vor allem in Ballungsräumen wie Berlin eine allgegenwärtige Flächenknappheit entgegen. Dadurch haben die Preise deutlich angezogen und Handwerker kommen wegen voller Auftragsbücher kaum hinterher.

Bis zum Jahresende 2018 gab es Angaben des Bundesamtes für Statistik zufolge 1.949.252 Wohnungen in Berlin Brandenburg. Das sind 16.956 und damit weniger als ein Prozent mehr als in 2017. Seit 2010 hat sich der Wohnungsbestand in Berlin um gerade einmal 81.579 Wohnungen erhöht. Das ist viel zu wenig, wenn man sich vor Augen hält, dass es in der Bundeshauptstadt Jahre mit bis zu 50.000 Neuberlinern gibt. „Es ist ein gesellschaftlicher Konsens darüber erforderlich, dass wir es auf dem herkömmlichen Wege nicht schaffen“, so Gedaschko.

Wichtig ist es nun, zusätzliche Investitionen stufenweise zu finanzieren, anstatt wenig erfolgversprechende Modelle wie den Mietendeckel zur Begrenzung des Mietpreisanstiegs einzuführen. Es gibt bessere Möglichkeiten. Ein gutes Beispiel hierfür ist Portugal, wo Vermieter Steuervorteile erhalten, wenn sie örtliche Mietobergrenzen anerkennen.